Diese Wiki-Seiten wurden von Studenten im Rahmen der Vorlesung GameDesign am efi erstellt.

Super Metroid (1994)

von Nintendo R&D1 und Intelligent Systems

GenreAction-Adventure
PublisherNintendo
SpielerEinzelspieler
PlattformSNES
Spieldauerca. 20 Stunden
Fortsetzungen / Spin-OffsMetroid Prime


Beschreibung

Super Metroid ist ein 2D-Sidescroller, der Platforming-, Puzzle- und Shooter-Elemente vereint und vor einer Science Fiction-Prämisse vom Kampf der intergalaktischen Kopfgeldjägerin Samus Aran, der einst ersten weiblichen Protagonistin in einem Videospiel, gegen eine todbringende Alien-Spezies erzählt. Die Spielmechanik besteht gleichermaßen aus der Erforschung einer komplexen Spielwelt und dem Bewältigen strategischer und geschicklichkeitsorientierter Herausforderungen. Beide Disziplinen erfordern ein überwiegend aus eigener Kraft zu erarbeitendes Verständnis für die stetig ansteigenden Interaktionsmöglichkeiten des Spielers mit dem Spielsystem.

Auffälligkeiten

Formales Design

  • Sandbox-Struktur durch offene Spielwelt und fehlende Zielvorgaben
  • eigenständige Erarbeitung der Geschichte durch passives Narrativ

Emotionales Design

  • zielgerichtete Evokation emotionaler Leitmotive

Mediales Design

keine Auffälligkeiten

Bewertung

Wenn integere Medienromantiker einem beinahe 25 Jahre alten SNES-Jump&Shoot abseits des gängigen Popkanons vermeintlich großer Spieleklassiker immer mal wieder die Qualitäten eines „best game of all time“ attestieren, könnte die Rede von Nintendos Super Metroid sein. Der dritte Teil eines bis heute prestigeträchtigen, wenn auch kommerziell nicht ausnahmslos erfolgreichen Franchises verdient sich seine Sporen ohne Ubisoft‘sches Formel-Gameplay und Bioware‘sches Erzählkalkül, sondern durch die spielerische Zweckmäßigkeit vergangener Generationen, getragen von außergewöhnlicher gestalterischer Originalität und einem visionären Konzept für die vornehmlich emotionale Rezeption des Unterhaltungsprodukts Videospiel.

Heutzutage zählen spielerische Freiheiten und Oberweltstrukturen zum guten Ton moderner AAA-Entwicklung – oftmals leider ohne ein erkennbares entwicklerseitiges Gespür für Inhalts- und Formgebung. Wenn im aktuellen Gaming-Geschehen jedoch ein Hidetaka Miyazaki mit der größten Errungenschaft seiner meisterhaften Souls-Werke, der zielgerichteten Sinnstiftung für Open World-Level Design, fast im Alleingang den mittlerweile stark westlich geprägten Sandbox-Sumpf entgiftet, dann fußt das auch auf Erkenntnissen, die Super Metroid als wahrscheinlich DER erste große Vorreiter für authentische offene Spielwelten bereits 1994 zu Tage förderte: Nämlich dass emotionale Potenziale der interaktiven Unterhaltung nicht nur von audiovisueller Präsentation oder Drehbüchern, sondern eben auch – viel eleganter, da medienrepräsentativ – von spielgestalterischer Finesse aufgeladen und kanalisiert werden können.

So schöpft Nintendos handwerklich bis heute bestes Action-Adventure fernab der inszenatorischen Möglichkeiten aktueller 3D-Spiele oder gar formverwandter Filmproduktionen sein atmosphärisches Gewicht aus vielen intelligenten Design-Entscheidungen, ohne die das angepeilte Unterfangen, Hilflosigkeit und Isolation zum emotionalen Kern der Spielerfahrung zu erheben, nicht aufgehen würde. Als eines der einfachsten und zugleich effektivsten Stilmittel für szenenübergreifenden Spannungsaufbau steht dabei ein psychologischer Kunstkniff im Vordergrund, den auch From Software-Genie Miyazaki Jahrzehnte später mit dem ersten Teil seines Fantasy-Alptraums Dark Souls ebenfalls verstehen und perfektionieren sollte: Super Metroid ist trotz seiner Sidescrolling-Natur und entgegen der menschlichen Gewohnheit für die horizontal geprägte Begehung des Raumes als sukzessiver Abwärtsimpuls konzipiert. Das Höhlensystem des Planeten Zebes lässt den Spieler zwar augenscheinlich öfter waagerechte als senkrechte Wege zurücklegen, stellt sich im Laufe seiner gesamtheitlichen Erschließung jedoch als vertikal orientiertes Tunnelgeflecht heraus. Was aufgrund der äußerlichen Parallelen zur Plattformkonkurrenz Contra oder Turrican als kurzweilige Feel Good-Action missverstanden werden könnte gleicht daher in Wirklichkeit einem trostlosen, quälenden Sog ins Dunkel und in die Tiefe – weg von der am ehesten als friedvoll anzusehenden Planetenoberfläche und damit dem einzigen Quell für Frischluft und Tageslicht, hin zu den immer abstrusere Züge annehmenden Gefahren und Ungewissheiten des Planetenkerns.

Es ist der Konsequenz der Macher zu verdanken, dass diese ausgeprägteste aller Formalien nicht zum alleinigen Katalysator für Super Metroids tonale Ausrichtung verkümmert, sondern von einer ganzen Phalanx kongenialer Ideen flankiert wird. Zum einen wird auf Hinweissysteme und Zielvorgaben konsequent verzichtet; der Spieler über den Umgang mit den bizarren Auswüchsen des fremdartigen Ökosystems permanent im Unklaren gelassen. Zum anderen verortet man scheinbare Abschnittsziele als organische Bestandteile der diegetischen Welt vorwiegend in unerforschten Spielbereichen und zelebriert damit eine beinahe schon sadistische Freude am Verlassen von Wohlfühlzonen und der Konfrontation mit dem Unbekannten. Überhaupt schert sich das gesamte Produktionsdesign einen Dreck um das familienfreundliche Heile-Welt-Credo der heutigen Nintendo-Palette; rückt etwa mit Kenji Yamamotos mitreißendem 16-Bit-Score, der besinnliche wie groteske Szenen musikalisch meisterhaft spiegelt, Melancholie auf der Basis von flächendeckender Einsamkeit in den Mittelpunkt.

Da ist es ebenso passend wie kreativ, Regelvermittlung und Storytelling von Anfang an quasi auf stumm zu schalten und – vergleichbar mit Jonathan Blows brillantem 2016er-Mindfuck The Witness – den Spieler zum Aktivator des Mensch-Maschine-Dialogs zu machen. Schlüsselsequenzen und -gegenstände wollen beispielsweise nicht einfach wahrgenommen oder eingesammelt, sondern aktiv enträtselt und beherrscht werden. Das erfordert weit mehr intellektuelle Investition als die auf einem Silbertablett servierten Tutorials und Expositionsmaßnahmen der massenverträglicheren Gaming-Kultur – und lokalisiert Super Metroid letzten Endes in den Sphären anspruchsvollster Medienunterhaltung. Momente etwa, in denen der Spieler ohne verbale Hinweise die Bewegungsabläufe der einheimischen Tierwelt imitieren muss, um natürlich gewachsenen Fallgruben zu entkommen, gehören damals wie heute zum besten, was die Videospielwelt in Sachen Game Design gesehen hat.

Darüber hinaus ließen sich Backtracking, Sequence Breaking, World Building, Storytelling, Speedrunning, Sandboxing, Pacing, Eastereggs, nostalgische Franchise- oder medienübergreifende Popkulturverweise und viele weitere mal mehr, mal weniger wichtige Bestandteile moderner Spieleentwicklung anhand von Super Metroid aufdröseln und normativ analysieren. Denn hier verkommt nichts zum Selbstzweck. Hier können heute wie annodazumal die schöpferischen Stärken einer gesamten Industrie kumuliert und frei von zeitgenössischem Kontext so verdichtet und ambitioniert erlebt werden wie in kaum einem anderen Spiel.

Referenzen


Felix Baumgarten, WS17/18

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